Sonntag, 26. Mai 2013

Wie ich mit Kant lachte und nebenbei das Glück fand




Zur Theorie des Verhältnisses von Natur und Kultur



Große Begriffe mit kleinen Anforderungen auf ein menschliches Maß schrumpfen, macht mehr Freude, als sich im überhöhten Ansatz unter relativierender Begrifflichkeit im Unfassbaren zu verlieren. Sich Freude zu machen, entspricht einem Bedürfnis meiner Natur also schrumpfen wir den Plan, über das Verhältnis von Natur und Kultur zu schreiben, auf ein sehr menschliches Maß, meinen eben beschränkten Horizont und verlieren uns nicht zu lange in dem, was andere meinten oder sahen, sondern konzentrieren uns auf alles, was ich mich frage oder sehe, es wird also zwar theoretisch aber nicht akademisch, es wird an jedem Beleg mangeln als dem des Gedächtnisses eines relativ kulturkritischen Schwärmers und wem das zu wenig ist schon im Ansatz, der möge sich die großen Abhandlungen zur Hand nehmen, die den normierten Bedürfnissen besser genügen, dahingestellt, ob sie objektiver sind, es eine objektive Theorie oder Sicht der Kultur  überhaupt geben kann oder wir immer nur auf unsere beschränkt subjektiven Mittel verwiesen sind bei der Sicht dessen, was uns zu menschlichen also Kulturwesen macht.

Nun zu sagen, was hier alles nicht erläutert und behandelt wird, könnte zwar befreiende Wirkung haben, klänge aber überflüssig akademisch wie ein formales Dankwort an alle, die es verdienen oder doch zumindest ein Amt innehaben, in dem sie genug verdienen, um auch noch jedes Dankes gewürdigt zu werden. Überflüssiges ist hier auch entbehrlich und also konzentriere ich mich an dieser Stelle auf Natur und Kultur jenseits der strittigen –ismen und ihrer abweichenden Definition und wende mich abseits aller Theorie der kreativen Schöpfung zu als ursprünglichem Kulturakt.

Wer etwas anfängt, sollte sich wohl am besten vorab fragen womit und wie.

Was ist uns noch Kultur?

Kultur ist alles, was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt, im Unterschied zu der nicht von ihm geschaffenen und nicht veränderten Natur, wo immer die noch sein soll und ob sie durch bewundernde Wahrnehmung zur Kultur wird und am Ende Kulturerbe und Naturerbe das Gleiche sind, wenn etwa ein Stück Naturerbe zugleich kultischer also irgendwie kultureller Ort war. Aber, wir verwirren uns vor dem Blick hinter die Kulissen, was wenig zielführend für einen tieferen Durchblick sein wird.

Betrachten wir einfach möglichst neutral, wem immer das natürlich sein mag, das Wort an sich. Etymologisch entstammt das lateinische Wort colere der indogermanischen Wurzel kuel- für [sich] drehen/ wenden, so dass die ursprüngliche Bedeutung wohl im Sinne von „emsig beschäftigt sein“ zu suchen ist und so wäre Kultur ein Tun und also Schöpfung als solche. Als Kulturleistungen gelten nun alle formenden Umgestaltungen eines gegebenen Materials, wie in der Technik oder der Kunst, aber auch geistige Gebilde wie etwa Recht, Moral, Religion, Wirtschaft und Wissenschaft.

Wie ich es nun auch drehe und wende, ob die Beschäftigung mit der Kultur als solcher sowie ihre Abgrenzung von oder Vereinigung mit der Natur, schon eine kulturelle Leistung sind, könnte Ergebnis wie Zweck dieser kleinen Sammlung von Gedanken vorausnehmen. Es wird also jenseits der Selbstreflexion, die hier angekündigt wurde, keine Antwort auf die Frage geben, ob dies schon Kultur ist, vielleicht ergibt es sich ja am Ende, bis dahin müssen die Leser eben mit dieser nur eventuell kulturellen Buchstabensammlung vorlieb nehmen oder etwas sinnvolles lesen.

Das Wort Kultur hat eine lange Geschichte, die unser Denken darüber verständlicher machen kann. Bei den alten Römern prägte Plinius der Ältere zwar noch nicht das Wort „Kultur“ als einen Begriff, unterschied allerdings schon zwischen terrenus (zum Erdreich gehörend) und facticius (künstlich Hergestelltes). Im lateinischen Raum wird der Begriff cultura sowohl auf die persönliche Kultur von Individuen als auch auf die Kultur bestimmter historischer Perioden angewendet. So charakterisiert noch davor Cicero die Philosophie als cultura animi, das heißt als Pflege des Geistes. Neben der Kultur als Sachkultur bei Plinius findet sich also auch Kultur als Bearbeitung der eigenen Persönlichkeit.

Viel entscheidender aber hat Lukrez mit seinem rationalen Denken und seiner Sicht auf den Menschen den Geist des republikanischen Roms geprägt, er starb wenige Jahre nach Ciceros Geburt und erlebte den Untergang der Republik im folgenden Kaiserreich nicht mehr. Er hat den Geist seiner Zeit und damit eben die Kultur wiedergegeben und mitgeformt, indem er den Menschen als Natur bezeichnete und sein Handeln und Denken in einen natürlichen Kontext stellte.

Damit bricht erst das römische Kaiserreich wieder, in dem die Götter mächtiger wurden, deren Existenz er leugnete, und Menschen sich zu Göttern machte, wie wir es auch im später vom Kaisertum aufgenommenen und angepassten Christentum sehen können, welches das Heil außerhalb des Menschen und weit jenseits aller Vernunft sah.

Es sollte dann wiederum über tausend Jahre dauern, bis in der Renaissance der alte Humanismus wiederentdeckt wurde und für gut befunden wurde und viele mussten dennoch unter der Herrschaft der Kirche noch die Suche nach Vernunft mit dem Leben bezahlen wie etwa Giordano Bruno. Müssen es bis heute in religiös geprägten Regionen der Welt, wobei nun eine Frage wäre, was davon Kultur und was natürlicher Machttrieb des Menschen ist, ob die Religion und ihre Organisation eher eine bequeme Form der Machtausübung ist oder die teils sehr komplizierten Antworten auf überflüssige Fragen im metaphysischen Bereich und die dort erdachten Welten auch ein Teil unserer Natur sind, es zum Trieb mancher Menschen gehört, irrationale Antworten auf vernünftige oder überflüssige Fragen zu suchen.

Für meinen lieben Königsberger, der uns mit seinem Imperativ die Freiheit schenkte, Imanuel Kant also, sind Mensch und Kultur ein Endzweck der Natur. Dabei ist mit diesem Endzweck der Natur gerade die moralische Fähigkeit des Menschen zu eben jenem größte Freiheit begründenden kategorischen Imperativ verbunden: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Ein solches allgemeines Gesetz anzuerkennen als „Idee der Moralität gehört noch zur Kultur.“ Es ist dieser Leitsatz des moralischen Handelns, der den Menschen einerseits von der Natur trennt, andererseits steht er als Endziel der Natur in ihrem Dienst dieses Ziel zu achten und zu verfolgen. Ohne diesen moralischen Leitsatz vermag der Mensch sich bloß technologisch fortzuentwickeln, was zur Zivilisation führt. Natur kann ihm aber beides sein, als Endziel wie als Ausgangspunkt, was uns wieder zu Lukrez führt, den Kant nebenbei auch mehr als schätzte, was manches über die Ernsthaftigkeit von Kants formell gegebenen Christentum aussagt.

Der Anthropologe Edward Tylor bestimmt Kultur  dann 1871 ("Primitive Culture"), also wiederum gut 100 Jahre später, unter Aufnahme der darwinschen Evolutionstheorie und gibt so eine erste an den Erkenntnissen der Naturwissenschaft orientierte Definition: „Cultur oder Civilisation im weitesten ethnographischen Sinn ist jener Inbegriff von Wissen, Glauben, Kunst, Moral, Gesetz, Sitte und alle übrigen Fähigkeiten und Gewohnheiten, welche der Mensch als Glied der Gesellschaft sich angeeignet hat.“

Nach Albert Schweitzer erstrebt die Kultur letztlich „die geistige und sittliche Vollendung des Einzelnen“. Wobei sich die Frage stellt, was der Straßburger Pastor und spätere afrikanische Arzt nun natürlich fand, inwieweit es ihm um die Natur des Menschen ging oder doch eine weitere Betrachtung gemeint war, er transzendierte und von einer nur geglaubten Vollendung ausging, denn fertig ist der Mensch ansonsten mit dem Leben, wenn es endet, womit kulturelles Streben relativ moribund wohl wäre, was der gute Mensch von Lambarene sicher nicht meinte, sein persönlicher transzendenter Bezug scheint mir aber wiederum so irrelevant, dass er bei einer zielführenden Betrachtung außen vorbleiben kann. Im Ergebnis nett aber im Herangehen nicht ernst zu nehmen, was sicher wieder keiner lesen möchte.

Einzig im deutschsprachigen Raum hat sich im übrigen der Gegensatz „Kultur“ und „Zivilisation“ entwickelt, wie ihn auch Kant schon nutzte, während beispielsweise im englischen Sprachraum lange Zeit nur ein Wort für „Kultur“ (civilization) genutzt wurde. (Vgl. den Titel von Samuel P. Huntington Clash of civilisations, im Deutschen Kampf der Kulturen.) Erst seit einigen Jahrzehnten findet sich auch culture häufiger, ohne dass hiermit jedoch auf einen Gegensatz zu civilization Bezug genommen wurde.

Auch die Franzosen unterscheiden hier, tun es aber in einem anderen Geist und mit einer anderen Tendenz, was nun zu interessanten Gedanken zu einer europäischen Kultur gerade in Zeiten der Krise führen und an dieser Stelle also abseitig verführen könnte, da wir aber noch nicht am Ziel einer irgendwie Antwort auf die jeweilige Beteiligung aneinander angelangt sind und also weiter suchen, wie kultiviert wir natürlicherweise sind, soll an dieser Stelle dieser wunderbare Ast geistiger Suche nicht weiter verfolgt, sondern sich konzentriert werden auf die entscheidende Frage, wo ist der Gegensatz und was ist von wem im anderen.

Die früheste Formulierung dieses Gegensatzes stammt von Immanuel Kant:

    „Wir sind im hohen Grade durch Kunst und Wissenschaft cultivirt. Wir sind civilisirt bis zum Überlästigen, zu allerlei gesellschaftlicher Artigkeit und Anständigkeit. Aber uns für schon moralisirt zu halten, daran fehlt noch sehr viel. Denn die Idee der Moralität gehört noch zur Cultur; der Gebrauch dieser Idee aber, welcher nur auf das Sittenähnliche in der Ehrliebe und der äußeren Anständigkeit hinausläuft, macht blos die Civilisirung aus.“

Verlieren wir danach in der Zivilisation unsere natürliche Kultur und werden uns entfremdet?

Was im deutschen Wesen hat diese seltsame Dialektik aufkommen lassen, die weder ganz bei sich ist, noch die Zivilisation würdigt, sie nur als kulturell notwendiges Übel wohl oder übel duldet?

Wir wissen wenig über unsere Vorfahren, viel beruht auf Mutmaßungen und lange galt uns der Tacitus mit seiner fett-faule Römer aufrüttelnden Berichterstattung als authentischster Reporter aus dem Reich unserer Vorfahren. Auch wenn dies mittlerweile als Propagandalüge entlarvt wurde, bleibt die spannende Frage, wie viel Bericht steckt unter der Absicht und inwieweit steckt in dieser bis heute teilweise sprachlichen Unterscheidung noch eine zurück zur Natur-Bewegung der wieder Möchtegern Germanen auf ihrem Weg zu sich?

Ist es eine Ode auf den deutschen Wald, der einst religiös verehrt wurde, also Kulturgut war oder ist es die gespaltene Natur von uns früheren Waldbewohnern zwischen Kulturgut natur und nur mühsamer Integration in die wesensmäßig fremd gebliebene lateinische Kultur – die Barbaren trinken Bier, die Zivilisation genießt Wein – aber das führte nun zu weit vom Thema, auch wenn es der Natur recht nahe liegt.

Der Begriff wanderte weiter bis über die Preisgabe jeder Zivilisation im Umgang mit Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus und dem, von diesen entscheidend verursachten, Weltkrieg. Ein Bruch in der menschlichen Geschichte des Schreckens und der Grausamkeit, der zu einer Versachlichung des Lebens, um der Zerstörung einer partiellen Kultur wegen, führte. Die Versachlichung ist ein hier zweischneidiger Begriff, der aber den Prozess treffend beschreibt, der bist heute fortdauert.

Menschen wurden zu Gegenständen der Vernichtung, ihre Überbleibsel soweit möglich industriell genutzt, wenn sie auf dem Weg zur Tötung nicht mehr anders im tödlichen System effektiv eingesetzt werden konnten, der Rest wurde möglichst spurlos entsorgt, ging in Rauch auf im Himmel über Auschwitz und anderen Orten der präzisen, wohl geordneten, sauber organisierten und auf speziell deutsche Art sehr effektiven Vernichtung einer Kultur, die unsere Zivilisation entscheidend mitprägte.

Manche stellten danach die Frage, ob es nach dieser Pervertierung deutscher Sekundärtugenden noch unschuldige deutsche Gedichte wieder geben kann, die Vernichtung der Kultur des Lebens nicht der Sprache der Mörder jede Unschuld raubte. Sie konnten und könnten nicht widerlegt werden, mit dieser Vermutung, denn die gleichen Buchstaben und Worte selbiger Sprache, die hier nach dem Zusammenhang von Kultur und Natur suchte, war auch die der vollkommenen Organisation ihrer Vernichtung. Es gab also keine unschuldigen Worte mehr und es fragte sich, ob die Sprache und ihr gesprochenes Echo diese Verantwortung ewig weiter trägt oder kommende Generationen sich wieder in der Unschuld bewähren können und dies ohne die Gnade der späten Geburt.

Es gab schon bald wieder deutsche Literatur und Lyrik, es lebten und liebten hier weiter Menschen, und auch wenn es erschreckenderweise immer mehr werden, die sich von Schuld und Verantwortung persönlich rein waschen wollen, als könnte Geschichte anders je überwunden werden, als durch Auseinandersetzung und Konfrontation mit ihr, zu viele sich nicht mal mehr für ihre Wurzeln interessieren und lieber voller Freude, wenn auch notwendig haltlos, durch die Spaßgesellschaft schweben, es lebt und liebt sich noch in unserer Sprache und es wurde in ihr eine Demokratie und ein neues Verständnis von Menschenrechten entwickelt. Hoffen wir, dass die Stimmen der Aufmerksamen immer laut genug bleiben, die der teilnahmslosen Masse zu übertönen, die sich nur nach Spaß und Unterhaltung sehnt, wie Pessimisten behaupten würden oder positiver gedacht, die Vernunft noch genug natürlichen Nährboden findet, dass diejenigen, die ausblenden wollen, lieber wegsehen, immer eine Minderheit bleiben.

Interessanterweise stellte der Staat, der sich nach demokratischen Maßstäben auf die Orgie der Vernichtung von Kultur gründete, die frühere Bundesrepublik, den Begriff der Würde des Menschen, aller Menschen, an die Spitze seiner Agenda, machte ihn zum Artikel 1 seines Grundgesetzes, der immer noch vorläufigen Verfassung der mittlerweile postdemokratischen Berliner Republik. Ob dieses Bekenntnis zur Lehre aus der Geschichte, die das Menschsein infrage stellte, auf nie dagewesene Weise entmenschte und aus Rassenwahn vernichtete, genügte für eine friedlichere Zukunft und die aktuellen Infragestellungen überlebt, wissen wir noch nicht. Ob die Preisgabe des vollmundigen Artikels bereits bei der betroffen schauenden Inkaufnahme von Kollateralschäden geschah, oder erst mit der teilweise zeitgleichen Übereignung des Sozialstaats an die Banken als Gläubiger der Gemeinschaft sich vollzog, am Ende erst wirklich gefährlich wurde für den obersten Grundsatz als wir unsere Armee beauftragten, sich Waffen anonymer Vernichtung mit Fernsteuerung in Drohnenform zu besorgen, sollte einer streitbaren Demokratie noch manches Wort wert sein.

Dieser scheinbar abseitige Einschub aktueller Politik und ihrer kritischen geistigen Fragen, der die gezielte Vernichtung bestimmter unerwünschter Personengruppen zum Thema hat, führt uns wieder auf die entscheidende Frage zurück, denn es gab nach der Shoa nicht wenige Menschen, die sagten, am deutschen Wesen könnte die Welt nicht genesen sondern nur weiter verwesen und einen beschränkten Ackerstaat auf dem Land ehemals großer Denker lieber errichten wollten oder sich an den ehemals zwei deutschen Staaten freuten, weil mehr davon, weniger vom Ganzen schien, da sie eben fürchteten, es läge in der Natur unseres Volkes, immer wieder zur Vernichtung anderer zu greifen, die grandiose Ethik eines Kant mit Füßen zu treten.

Was wäre wohl in der verordnet ungebildeten Ackerrepublik Deutschland aus der Sprachkultur geworden, ließ sich eine solche einfach von oben beseitigen oder wäre der Mangel an Bildung ein viel höheres Risiko für einen Rückfall in atavistische Muster gewesen?

Wir wissen es nicht, aber ob ein solcher Versuch ohne erneute umfassende Bücherverbrennung von Erfolg gekrönt gewesen wäre, scheint mehr als fragwürdig und zum Glück müssen wir uns nicht mehr mit dieser Frage beschäftigen, es hat sich eine demokratische Kultur in Verantwortung gebildet, die zwar wieder gefährlich an ihre Grenzen stößt aber zumindest eine Lehre aus der Geschichte in Verantwortung gezogen hat – wie weit diese genügt, wo Nachbesserungsbedarf besteht und wie beschränkt unser Horizont dabei ist, könnte Gegenstand einer eigenen Erörterung werden, jedenfalls lässt sich hier dem Gedanken entgegentreten, die Täterschaft der Vernichtung läge in der Natur, sei Teil der deutschen Kultur und damit unvermeidbar, was uns nun endlich zur ursprünglichen Frage zurückgeführt hat. Unser Wesen, also unsere Natur scheint unsere Kultur zu prägen und diese lebt von ihm, dahingestellt, was wir davon derzeit natürlich nennen, was zivilisiert und was unnatürlich überformt.

Einer, der noch in dieses System der Vernichtung hineingeboren wurde, half es geistig zu überwinden, auch wenn er zumindest formal so verstrickt war, wie die wohl meisten in einer Diktatur, wurden seine Gedanken zur Demokratie und ihren sozialen Systemen entscheidend und wichtig für den Aufbau einer zivilen Kultur des Diskurses. Für den Systemtheoretiker Niklas Luhmann, einen Bielefelder, dass es also allem Anschein in der geistigen Welt jedenfalls wirklich gab, beginnt geschichtlich gesehen Kultur erst dann, wenn es einer Gesellschaft gelingt, nicht nur Beobachtungen vom Menschen und dessen Umwelt anzustellen, sondern auch Formen und Blickwinkel der Beobachtungen der Beobachtungen zu entwickeln.

Es läge nun nahe an die Frankfurter Schule, ihre Vordenker und Schüler zu schreiben, den großen Habermas zu erwähnen und seine Theorie des Diskurses und wie weit die diskursfähige Gesellschaft von ihren Wurzeln ist oder wie nah sie schon an ihnen ist, wer wir wirklich sind als natürliche Wesen und ob diese Natur vernünftig ist, wir liebend also weniger oder gerade um so mehr menschlich wären, wenn uns unsere Natur bestimmt also zumindest nichts, was wir im ersten Moment logisch begreifen können.

Es soll sich hier die ewige Diskussion um göttliche Wesen erspart werden, warum wer sie sich ausdenkt, wieso sie manche für wahr halten und meinen, wer sich nur an die Fakten halte, glaube genauso, eben an Fakten, wie sie eben an erdachte Götter, da es müßig ist, denen die glauben, es gäbe höhere Wesen, die etwas schöpften, zu erläutern, dass diese Hypothese sich schon im Grundsatz von der bloßen Betrachtung der Welt unterscheidet, die diese eben als natürlich betrachtet und was auf ihr lebt und gedeiht ebenso.

Eine Betrachtung der Welt, die sich die Frage nach dem Zusammenhang von Natur und Kultur stellt, muss sich allerdings logisch auch diesem wichtigen Teilaspekt der allermeisten Kulturen stellen, eben der Suche nach höherem Sinn, dem transzendieren und also dem metaphysischen, stets spekulativen Grund des Seins, den die Natur nicht stellt, die einfach ist, die sich aber die Menschen überall auf dem Planeten durch alle Jahrtausende stellten, als gehörte es zu unserer Natur an Götter zu glauben, einen Sinn zu suchen oder auf ein Leben nach dem Tod zu hoffen, wurden da die irrwitzigsten Konstruktionen erdacht mit bekannter teilweiser Geringschätzung gegenüber Andersdenkenden, dem menschlichen Leben oder Frauen insbesondere.

Ist die Annahme eines metaphysischen Seins, also eines solchen, das über dem natürlichen Sein steht, geboten und sinnvoll oder ist es nur wieder eine Flucht vor der Wirklichkeit, deren Grenzen manchen zu unromantisch scheinen, jedenfalls wohl nicht genügen, erfüllt und friedlich darin zu leben, da sie sich weiter massenhaft, um bloßer Glaubensfragen wegen, gegenseitig umbringen, teilweise sogar schon in den Hauptstädten der westlichen Demokratie atavistische Narren ihre tödlichen Riten an denen praktizieren, die sie für die Bösen halten.

Stellt sich die Frage, woher wir wissen wollen, was gut und was böse sei und was uns befähigt, darüber für andere zu urteilen. Diese Frage, die für so manchen schon die nach dem Sinn des Seins war, was zwar schon eine Antwort in der Frage enthält, ohne dass noch irgendeine Offenheit gegeben wäre, was ist, gilt als eine nach den letzten Dingen.  Sie sind das Thema der Metaphysik, die hier insofern relevant wäre, als sie der Bereich ist, in dem die Menschen am intensivsten ihre geistigen Neigungen von der Natur unterscheiden, eine solitäre Welt sich erdenken, die neben der Natur stünde und damit unsere Kultur seit Jahrtausenden mitprägen.

Was genau ist die Metaphysik, von welcher Relevanz ist sie noch und wie stellen wir uns, unserer Natur gemäß zu ihr?

Die Metaphysik, was von lateinisch metaphysica wie von griechisch μετά, metá stammt, was „danach, hinter, jenseits“ heißt, und φύσις, phýsis, „Natur, natürliche Beschaffenheit“, ist bis jetzt eine Grunddisziplin der Philosophie. Metaphysische Systementwürfe behandeln in ihren klassischen Formen die zentralen Probleme der theoretischen Philosophie, die da wären die Beschreibung der Fundamente, Voraussetzungen, Ursachen oder „ersten Gründe“, der allgemeinsten Strukturen, Gesetzlichkeiten und Prinzipien sowie von Sinn und Zweck der gesamten Wirklichkeit bzw. allen Seins. Das, worum es sich im Kern dreht, wie wir gerne meinen oder wie es im Faust formuliert ist, „was die Welt im innersten zusammenhält“.

Konkret bedeutet dies, dass die klassische Metaphysik die sogenannten „letzten Fragen“ verhandelt:

Gibt es einen letzten Sinn, warum die Welt überhaupt existiert? Und dafür, dass sie gerade so eingerichtet ist, wie sie es ist?

Gibt es einen Gott/Götter und wenn ja, was können wir über ihn/sie wissen? Was macht das Wesen des Menschen aus?

Gibt es so etwas wie „Geistiges“, insbesondere einen grundlegenden Unterschied zwischen Geist und Materie (Leib-Seele-Problem)?

Besitzt der Mensch eine unsterbliche Seele, verfügt er über einen Freien Willen?

Verändert sich alles oder gibt es auch Dinge und Zusammenhänge, die bei allem Wechsel der Erscheinungen immer gleich bleiben?

Ob diese Fragen so sinnvoll oder natürlich sind oder bereits Ausdruck einer abseitigen Bewegung kann dahinstehen, sie beschäftigen die Menschen überall auf der Welt seit Menschengedenken, sind also jedenfalls Teil der menschlichen Kultur und die wichtigsten Seiten der Kultur wurden aus den jeweiligen Antworten entwickelt, gaben der Philosophie wie der Politik oft entscheidenden Ansporn, waren also faktisch immer relevant, auch wenn sie logisch oder natürlich irrelevant sein könnten.

Die Gegenstände der Metaphysik sind dabei nicht durch empirische Einzeluntersuchungen zugängliche, sondern diesen zugrundeliegende Bereiche der Wirklichkeit. Also eine emprisch nicht erfassbare Wirklichkeit, was in der Natur, die ja eben messbar ist, schon ein Wunder an sich ist.

Dieser Anspruch, Erkenntnisse außerhalb der Grenzen der sinnlichen Erfahrung zu formulieren, wurde natürlich auch vielfach kritisiert – die allgemeine Metaphysikkritik begleitet die metaphysischen Systemversuche von Anfang an und sind, auch wenn im 19. und 20. Jahrhundert entwickelt, oftmals als ein Kennzeichen moderner Weltanschauung verstanden worden. Dagegen meinen bis heute viele, Fragen nach einem letzten Sinn und einem systematisch beschreibbaren „großen Ganzen“ als auf natürliche Weise im Menschen angelegt, als ein „unhintertreibliches Bedürfnis“ (Kant), ja den Menschen sogar als „animal metaphysicum“, als ein „metaphysiktreibendes Lebewesen“ (Schopenhauer) sehen zu müssen, als gäbe die geistige Möglichkeit einer Fragestellung dieser eine natürliche Existenz. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts werden, seltsam genug, klassischer analytisch-empiristischer und kontinentaler Metaphysikkritik zum Trotz, wieder komplexe systematische Debatten zu metaphysischen Problemen von Seiten meist analytisch geschulter Philosophen geführt. Ob damit der häufig damit verbundene Kampf der Kulturen ein Teil unserer Natur ist oder nur ein vielleicht sogar erwünschter Nebeneffekt der Polarisierer, die ihr Weltbild erhalten wollen, den begründeten Zweifeln zum Trotz, wird eine der spannenden Fragen der Zukunft sein, die wir für uns zu beantworten haben werden, wenn wir sittlich werten wollen.

Sich diesem Grenzbereich zwischen Logik und altem Aberglauben zu nähern, scheint zunächst keiner angemessener als der Königsberger Philosoph mit seinem oben zitierten unhintertreiblichen Bedürfnis. Wie sah Imanuel Kant das Thema im Verhältnis zur Natur, ist der, der die bis heute gültige Begründung unserer Freiheit in sittlicher und moralischer Hinsicht fand auch der taugliche Maßstab in Fragen der Metaphysik oder ist es mal wieder an der Zeit ein Denkmal auch in diesem Bereich zu stürzen.

Erkenntnis setzt für Kant Denken und Anschauung voraus. Metaphysische Gegenstände wie „Gott“, „Seele“ oder ein „Weltganzes“ sind aber nicht anschaulich gegeben. Die traditionelle Metaphysik sei daher undurchführbar. Sie müsste eine „geistige Anschauung“ voraussetzen, ein Erkenntnisvermögen, das ohne sinnliche Anschauung Zugriff auf ideelle Gegenstände hätte. Da wir ein solches Vermögen nicht besitzen, ist die traditionelle Metaphysik bloß spekulativ-konstruktiv. Kants Auffassung gemäß ist es prinzipiell nicht möglich, zu einer rationalen Entscheidung der zentralen Fragen zu kommen, ob es einen Gott, eine Freiheit des Willens, eine unsterbliche Seele gibt. Sein Fazit lautet:

    „Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: dass sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann; denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann; denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.“

Insoweit fällt die Zustimmung leicht und ist die Logik gut zugänglich. Alles Metaphysische ist also nicht vernünftig fassbar und auch nicht beweisbar, wir müssen uns nur mit bestimmten Fragen geistig auseinandersetzen, da wir sie uns stellen. Unklar bleibt dabei noch, was nun in der Natur des Menschen und der Sache liegt und was davon zu separieren wäre, ob überhaupt etwas.

Ausgehend vom praktisch-sittlichen Handeln versuchte Kant nun in der Kritik der praktischen Vernunft eine Neubegründung der Metaphysik. Die praktische Vernunft stelle notwendig „Postulate“ auf, deren Erfüllung die Voraussetzung sittlichen Handelns darstellt und an diesen wird die Notwendigkeit der Idee einer Metaphysik in unserer Natur dann wohl zu messen sein

  1. Die Freiheit des Willens muss gefordert werden, da ein sittliches Gesetz keinen Sinn hat, wenn es nicht zugleich die Freiheit dessen gibt, der das Gesetz erfüllen soll.


Insoweit wird noch logisch zuzustimmen sein, da nicht erkennbar ist, wie wir uns darüber und damit auseinandersetzen wollten, wenn wir es nicht könnten. Die Annahme des Willens als frei könnte aber auch noch viel mehr als ein Postulat der praktischen Vernunft sein, sofern wir einen natürlichen Beweis für seine Existenz führen können, ihn empirisch belegten, was teilweise die Hirnforschung in aktueller Selbstanmaßung zu widerlegen versucht (hier in Die Freiheit – als eine schöne Kunst betrachtet http://grossstadtflaneur.blogspot.de/2013/05/die-freiheit-als-eine-schone-kunst.html ).

Hier laufen wir nun Gefahr, auf den beim Thema Natur und Kultur schnell vom Wege abführenden Pfad der Diskussion der Prädestination zu geraten. Dennoch kann er nicht ignoriert werden, weil das bloße Postulat der Willensfreiheit bei der Frage nach der Natur unserer Kultur zu keiner befriedigenden Antwort mehr führen kann, es sei denn, wir sähen die Fähigkeit zur Setzung dieses Postulates als Kulturleistung sui generis an, was zumindest zweifelhaft scheint.

Es stellt sich also die Frage, ob die bloße Möglichkeit einen freien Willen zu beschließen, genügen kann dessen faktische Existenz qua natura zu begründen.

Die Antwort ist, erstaunlich beim Thema und hinsichtlich des Vorangehenden, erstaunlich schlicht: Ja, es genügt. Es ist immer noch das Credo des Descartes, das cogito ergo sum, ich denke also bin ich, das hier seine praktische Antwort findet. Weil ich es denken kann und es mich zu fragen fähig bin, ist es existent.

Nur ob die Wahrnehmung dessen, was mir mein Gehirn und seine neuronalen Netze hier vielleicht vorgaukeln, die Wirklichkeit ist, oder nur eine erdachte Welt, ein geistiger Kosmos, wird damit nicht beantwortet, genauso wenig, ob dies unserer Natur entspricht oder eine abseitige kulturelle Entwicklung infolge völliger Selbstüberschätzung ist. Es könnte dahin stehen, sofern wir mit der selbst geschaffenen Welt in den Grenzen unseres Horizontes leben könnten. Da wir es seit tausenden von Jahren mit differrierenden Antworten tun, spricht viel für ein faktisches Können. Es ist nicht widerlegt, dass wir leben, gehen wir also davon aus, wir tun es noch und nehmen wir, was wir zumindest denken können als für gedacht, dann stellen sich viele Fragen nicht mehr. Unsere natürliche Existenz und ihre Neigung sich zu hinterfragen, belegt sich selbst im so sein. Wir müssen also zum ersten Postulat feststellen, es ist überflüssig, hier den sicheren Boden der Natur zu verlassen und sich auf das luftige Trapez der Metaphysik zu schwingen. Bevor wir nun fragen, ob der Meister aus Königsberg irrte, ironisch brach oder absurd war, wenden wir uns noch den anderen Postulaten zu.

  1. Die Unsterblichkeit der Seele ist notwendig, weil sich der konkrete Mensch in seiner natürlichen, nach Glückseligkeit suchenden Existenz dem moralischen Gesetz nur „in einem ins Unendliche gehenden Progressus“ annähern kann; diese Annäherung behält aber nur unter der Voraussetzung Sinn, dass der Tod sie nicht wertlos macht, sondern ihr „über das Leben hinaus“ Bedeutung verleiht.

Eine doppelte Verneinung ist in aller Regel eine Bejahung, die nur betont wird. Was die Seele oder eine Seele überhaupt sein soll, wird hier nicht erläutert, sondern selbst postuliert, auch wenn diese nicht nachweisbare Existenz von etwas außerhalb unserer selbst, das Anteil an uns haben, aber noch sein soll, wenn wir nicht sind, schon eine sehr kühne Phantasie ist und für den Lukrez Anhänger Kant eher nach einem ironischen Scherz klingt. Dazu kommt die Frage, was der, der in den Träumen eines Geistersehers so treffend den Zeitgenossen und Phantasten Sevedenborg zerfetzende Denker sich unter einer unsterblichen Seele wohl vorstellte, wenn er doch schon seinen Geisterseher unter das folgende Motto stellte: velut aegri somnia vanae finguntur species "Die leeren Gestalten werden erdichtet wie Traumbilder eines Kranken."

Nichts geht uns der Tod an und was über ihn hinaus sein sollte oder könnte, ist für das Sein völlig irrelevant, schrieb schon Lukrez in seinem de rerum natura hundert Jahre bevor der simplifizierende Messias der Reduktion erschien und das Denken einstellen ließ über fast tausend Jahre und Kant schätze ihn sehr, wie sein Zeitgenosse Friedrich II. oder deren Zeitgenosse Jefferson, der sich ähnlich auch äußerte. Was kommt oder noch ist, bleibt bloße Spekulation, ist sicher nicht geeignet eine kategorische Antwort auf dringende sittliche Fragen zu finden, eine Handlungsperspektive zu geben, wieso gibt uns dann einer der klarsten und konsequentesten Denker der Zeit eine solch absurde Antwort als Grundsatzentscheidung über die Frage, worauf es ankommt, wenn er doch klar postulierte, was die Metaphysik betrifft, haben wir zwar den Geist, uns diese Fragen zu stellen aber nicht die Möglichkeit diese logisch zu beantworten, es sind immer nur Postulate, die so wild sein können, wie sie wollen, und die Geschichte der Menschheit zeigt hier manch absurde Entwicklung, sie haben keinen logischen Grund und die Absurdität der Postulate, was sich beim Dritten noch deutlicher zeigt, belegt, es kommt auf sie nicht an, wir können die Metaphysik nicht ernst nehmen, sie bnasiert auf bloß willkürlichen Setzungen und ist damit für die sittliche Autonomie im Sinne des kategorischen Imperativs notwendig irrelevant, denn welchen regionalen Aberglauben wir auch zugrunde legen, welcher Mensch auch immer seine Natur überwundern haben soll, um Prophet zu Mekka oder Messias zu Jerusalem zu werden oder Buddha irgendwo im nirgendwo, es sind und bleiben eben menschliche Geschichten, voller Erfindungsreichtum und teilweise Schönheit, als kategorischer Maßstab werden sie nie taugen.


  1. Nur durch die Existenz Gottes aber ist garantiert, dass Natur und Sittengesetz letztlich miteinander versöhnt werden. Gott ist nur vorstellbar als ein Wesen, das sowohl die „von der Natur unterschiedene Ursache der gesamten Natur“ als auch eine aus „moralischer Gesinnung“ handelnde „Intelligenz“ ist.

Hier wird die doppelte Brechung noch weiter getrieben und im Geiste des Lukrez, den der Königsberger Philosophielehrer gut kannte, ist deutlich, dass Kant hier seinen Lesern den Spiegel ihrer Blindheit vorhielt und es waren noch wenige, die tief hinein zu sehen wagten.

Wer im kategorischen Imperativ das Gewissen des Einzelnen über alles stellt, es dem Einzelnen aufgibt, sich an seinem Gewissen zu orientieren, um einen Handlungsmaßstab zu finden, der sein Tun kategorisch richtig macht, die Entscheidung über Gut und Böse eben in unser Gewissen legte, kann nicht ernsthaft von einem erdachten Gott als Wesensgrund phantasieren, der Natur und Sittengesetz miteinander versöhnt, wenn diese ihm ohnehin eins sind. Der hier postulierte vernünftige Gott als moralische Instanz gegenüber dem autonom handelnden Einzelnen in voller sittlicher Autonomie ist eine notwendig absurde Konstruktion.

Kant redet Quatsch, um uns darauf hinzuweisen, wie absurd die Begründung einer Metaphysik notwendig sein muss im Lichte des kategorischen Imperativ und seines Freiheitsverständnisses – wer ihn kannte und sein Freiheitsverständnis, auch den Lukrez las, wie sein König, der aber den ostpreußischen Denker leider nicht las, könnte ihn verstehen, ansonsten war er ein höflicher preußischer Beamter, dem niemand aufrührerische Worte nachweisen konnten, auch wenn in seinem Imperativ schon die Wurzel der Revolution mit ihrem Dreiklang von Freiheit, Gleicheit und Brüderlichkeit seinen logischsten Ausdruck fand, auf dezent preußische Art nur.


Es kommt am Ende nicht darauf an, ob es in unserer Natur liegt, die Frage nach höheren Wesen oder einem Sinn des Seins zu stellen – das mag sein oder nicht sein – manche haben in ihrer Phantasie mehr Geister, andere weniger – es kommt vielmehr darauf an, welchen Nutzen wir aus dieser Frage ziehen und inwiefern es unser Leben bereichert, außer um selbstbezügliche Antworten auf Fragen, die sich für den Ablauf der Natur und die Funktion des Sittengesetzes unter autonom Handelnden, wie sie der kantsche Imperativ aus sich heraus uns schenkt, nie stellen. Die Natur fragt ob ihres Seins nicht nach seinem Sinn, sie fragt danach, wie wir es uns darin möglichst angenehm machen, wie wir am besten und schönsten überleben.

Wir sind dabei für unser Glück verantwortlich, wie, so weit wir es beeinflussen können, für unser Unglück. In dieser Freiheit gestalten wir die Welt nach unserem Vergnügen, machen es uns schön, weil es eben unsere Natur ist, es so schön wie nur möglich haben zu wollen. Von diesem Ergebnis aus auf den Weg schauend, stellt sich die Frage, warum die Menschen immer wieder auf Wege setzten, die dieses Glück erschwerten und die Hoffnung entweder auf ein Leben nach dem Tode setzten oder sich vor der Strafe danach ihr Leben lang fürchten, statt ausgiebig zu genießen.

Weitsichtig waren die Baumeister der geistigen Geschichte also immer dann nicht, will es scheinen, wenn sie versuchten ihre Häuser in den Himmel zu setzen, Glauben für wahr hielten und infolge anderen Menschen entweder ihre Überzeugung aufzwangen oder im Falle eines misslingen dieses Versuches, sie zu vernichten versuchten oder in die Sklaverei führten, die heute nur in ökonomischen Abhängigkeiten umgemünzt wurden, die sich mit den Buchstaben nur noch formeller Verfassungen vereinbaren lassen. Klug handelten sie und glücklich waren sie über längere friedliche Zeiten, wo sie sich auf sich konzentrierten, sich mit dem Glück des Epikur, des Kreises freier Geister bei maßvollem Essen und Wein zufrieden gaben, mit sich und ihrer Natur zivilisiert als eine hohe Kultur des Geistes in Einklang lebten. Es geht nicht um ein Plädoyer für das Mittelmaß, nichts liegt mir ferner, sondern um ein klares Bekenntnis zum Streben nach Glück in größtmöglicher Harmonie mit unserer Natur, die an unserer Neigung zum Übermaß leidet, wie wir an falscher Moral es schon lange tun, bis sich endlich einer traut dem Grauen ein Ende zu bereiten, an nichts zu glauben, als das persönliche Glück in einer harmonischen Gemeinschaft eben endlich Lebender und so Natur und Geist in den Einklang bringt, der uns am ehesten entspricht, in Frieden und wo möglich leidenschaftlich liebend zu leben für den kleinen Augenblick, den wir haben und was mehr könnte Kultur je erreichen als uns mit unserer Natur in Harmonie leben zu lassen, wie immer wir sie uns gerade schön vorstellen?

Wer nach seinem Fundament schaut, sollte auf sicheren Grund stehen - seltsam nur, dass Menschen dafür so gerne die klaren Wege der Vernunft verlassen und jenseitige Antworten auf letzte Fragen suchen. Um unserer Kultur und uns ein Haus für die Zukunft zu bauen, sollten wir den Blick auf den Boden richten, bevor wir das Fundament ausheben, in die Umgebung, um zu sehen, woher der Wind weht und von wo die Sonne wann kommt – nach oben müssen wir nur dazu schauen, soweit wir Regen vor der Fertigstellung des Daches fürchten müssen, ansonsten ist der Himmel für unsere Zukunft irrelevant und sollte uns von da ein Meteorit erschlagen, weil wir auf seiner Bahn liegen, wird sich nichts daran ändern, ob wir es vorher wissen oder nicht, aber was uns auch trifft, haben wir zumindest bis dahin so glücklich wie möglich gelebt im Bewusstsein unserer moralischen Autonomie als Kulturgut unserer Natur entsprechend.

Machen wir es uns unserer Natur gemäß als höchste Kulturleistung so schön wie möglich, es könnte schöner werden, als wir noch ahnen, sich darauf einzulassen.
© jens tuengerthal 26.05.13


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